Digitale Archivierung archäologischer Fundstücke

ENIGMA im Computertomographen

Im November 2020 und Januar 2021 wurden in der Ostsee und Schlei eine Reihe von ENIGMA-Systemen gefunden. Dies waren reine Zufallsfunde, da die Forschungstaucher eigentlich anderen Aufgaben – der Bergung von Geisternetzen und eines Propellers – jeweils nachgingen. Als ENIGMA wird die Chiffriermaschine der Deutschen vor und während des Zweiten Weltkriegs bezeichnet. In einer Zusammenarbeit zwischen dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) und der neuen Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE in Lübeck werden diese Fundstücke nun durch hochauflösende Computertomographie einer digitalen Planung der Restaurierung und Langzeitarchivierung zugänglich. 

Die ENIGMA diente im Zweiten Weltkrieg der Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs der Wehrmacht. Dass nun in Lübeck mehrere Exemplare detailliert untersucht werden, schlägt einen Bogen zur Informatik, einem der Forschungsschwerpunkte am Lübecker BioMedTec Wissenschaftscampus, denn es war einer der Gründungsväter der Informatik und führender Kopf der britischen Codebreaker in Bletchley Park, Alan Turing, der mit seinem Team die ENIGMA schließlich entschlüsseln konnte.

Ende des Zweiten Weltkriegs wurden diese Geräte bei einer drohenden Niederlage umgehend unbrauchbar gemacht und von der Marine schlicht über Bord geworfen. Der Erhaltungszustand der nun um den Jahreswechsel in der Ostsee gefundenen Geräte ist jedoch zunächst noch unklar, denn der Schlick der Ostsee hat über die Jahrzehnte am Ostseegrund jeden Hohlraum der Geräte kompakt gefüllt. Zusammen mit dem Salzwasser bot dies allerdings ein grundsätzlich günstiges Milieu zu ihrer Konservierung. Die Herausforderung liegt nun in ihrer zerstörungsfreien Restaurierung und Erforschung. Hier kann die moderne Computertomographie eine dreidimensionale Darstellung des Inneren geben, die den archäologischen Restauratoren eine Navigation durch die Schlickschichten ermöglicht.

Das ALSH kooperiert vor diesem Hintergrund mit der neuen Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE in Lübeck. Fraunhofer arbeitet hier eigentlich auf dem Gebiet der integrierten Entwicklung von patientenindividuellen Lösungen für Diagnose- und Therapieanwendungen. Dazu gehören unter anderem Kompetenzen in der Bildgebung, dem 3D-Druck und der künstlichen Intelligenz. In diesem Disziplinen-übergreifenden Projekt mit der Archäologie spielen dabei vor allem die Expertisen in den Bereichen Computertomographie, Data Science und Visualisierung zentrale Rollen.

„Die digitale Archivierung der ENIGMA soll nur der Auftakt zu einer längerfristigen Kooperation beider Institutionen sein“ sagt Prof. Thorsten Buzug, Direktor des Fraunhofer IMTE, „dabei sollen neue Methoden und virtuelle Darstellungsformate mit weiteren archäologischen Fundstücken etabliert werden“, denn letzten Endes sei die archäologische Spurensicherung der medizinischen Diagnostik technisch doch sehr verwandt. „Die ENIGMA- Geräte sind archäologische Funde, die vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit den Findern und Experten erfasst, untersucht, erforscht und publiziert werden“ stellt der Leiter des ALSH, Dr. Ulf Ickerodt heraus. „Wir sind froh, mit dem Fraunhofer IMTE einen regionalen wissenschaftlichen Partner gefunden zu haben, mit dem die Restaurierung solcher Fundstücke besser geplant werden kann.“ Restauriert und ausgestellt werden die Funde dann schließlich in der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf. 

 

Pressekontakt

Dr. Svenja Ipsen
- Wissenschaftskommunikation -

Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE

Telefon +49 451 384448-197
Email svenja.ipsen@imte.fraunhofer.de

© Fraunhofer IMTE
Eines der untersuchten Enigma-Modelle.
© Fraunhofer IMTE
Die Enigma im Computertomographen.
© Fraunhofer IMTE
Dr. Ulf Ickerodt (links) und Prof. Thorsten Buzug (rechts) zeigen die Ergebnisse des CT-Scans.